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Das neue Kaufrecht aus Verbrauchersicht

Mit Wirkung ab dem 01.01.2002 wird im Rahmen der so genannten Schuldrechtsmodernisierung unter anderem auch das Kaufrecht geändert.

Die Änderungen betreffen alle Kaufverträge, die ab dem 01.01.2002 geschlossen werden. Kaufverträge, die vorher abgeschlossen wurden, werden noch nach der alten Regelung behandelt.

Anhand eines Praxisbeispiels erfahren Sie in diesem Beitrag die für Sie wichtigen Änderungen.

Der Beispielsfall
Am 02.01.2002 erhält Frau Normalverbraucher einen Werbeprospekt, in dem die Eigenschaften verschiedener Hardwareprodukte beschrieben werden. Zu einem sehr günstigen Preis bietet ein Händler u.a. ein Laptop "MEGA" mit einem 2.0 GHz Prozessor an.

Frau Normalverbraucher geht in das Geschäft des Händlers, greift in das Regal, in dem die im Prospekt beschriebenen Laptops "MEGA" stehen sollen, bezahlt an der Kasse und geht nach Hause. Dort stellt er fest, dass er zwar ein Laptop "MEGA" gekauft hat, dieses aber nur einen 1.0 GHz Prozessor beinhaltet.

Mangelfreiheit jetzt Hauptleistungspflicht
Im neuen Kaufrecht ist die Mangelfreiheit der Kaufsache zu einer Hauptleistungspflicht geworden. Bisher war die Hauptleistungspflicht des Verkäufers, das Eigentum an der Kaufsache zu verschaffen. Mängel konnten im Wege des Gewährleistungsrechts geltend gemacht werden.

Ein Mangel liegt nach der neuen Regelung vor, wenn die Kaufsache bei Übergabe nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat. Damit wird die vertragliche Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer in den Vordergrund gestellt.

Häufig werden aber Kaufverträge geschlossen, bei denen weder Verkäufer noch Käufer sich eindeutig zu der Beschaffenheit der Kaufsache äußern.

Aus diesem Grund ordnet das Gesetz bei einer fehlenden Vereinbarung an, dass die Kaufsache dann frei von Sachmängeln ist, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Sollte auch dies nicht ermittelbar sein, ist schließlich die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung heranzuziehen. Bei der gewöhnlichen Verwendung muss die Kaufsache auch eine Beschaffenheit aufweisen, die üblich ist und mit der sie der Käufer nach der Art des Kaufgegenstandes erwarten konnte.

Zum Beispielsfall: In unserem Beispielsfall hat Frau Normalverbraucher nicht ausdrücklich mit dem Verkäufer vereinbart, dass das von ihm aus dem Regal herausgezogene Laptop "MEGA" auch tatsächlich eine 2.0 GHz-Prozessor beinhalten soll. Anhand der Einzelheiten des Kaufes ist auch nicht ohne weiteres erkennbar, welches Laptop der Käufer Normalverbraucher kaufen wollte.

Nach der bisherigen Regelung wäre kein Sachmangel gegeben.

Werbung legt Vertragsinhalt fest
Hier hilft die weitere Neuregelung des Gesetzes. Zu der vereinbarten Beschaffenheit der Kaufsache zählen nunmehr auch die Eigenschaften, die der Käufer aufgrund öffentlicher Äußerungen des Herstellers oder seiner Gehilfen erwarten konnte.

Zu übertriebene Werbung kann also dazu führen, dass die angebotene Kaufsache mangelbehaftet ist.

Zum Beispielsfall: In unserem Beispielsfall hat die Werbung Einfluss auf den Inhalt des Kaufvertrages. Hiernach musste das verkaufte Laptop "MEGA" einen 2.0 GHz Prozessor aufweisen, was es jedoch nicht tat. Aus diesem Grund liegt ein Sachmangel vor.

Übrigens: Sachmangel jetzt auch bei fehlerhafter Montageanleitung

Die neue Regelung des § 434 BGB ordnet weiter an, dass ein Sachmangel auch dann vorliegt, wenn die Anleitung für eine zur Montage bestimmte Kaufsache mangelhaft ist. Dies wird als "IKEA-Klausel" bezeichnet. Wird allerdings trotz mangelhafter Montageanleitung korrekt aufgebaut, entstehen diesbezüglich keine Sachmangelrechte.

Übrigens: Falschlieferung oder zu geringe Lieferung jetzt auch ein Mangel

Auch Falsch- oder Minderlieferungen sind nunmehr einem Sachmangel gleichgestellt.

Zugesicherte Eigenschaften nur noch bei Haftungsmaßstab von Bedeutung
Die so genannte "zugesicherte Eigenschaft" ist nicht mehr Grundlage für die Auslösung von Sachmangelrechten. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Zusicherungen im Rahmen der vereinbarten Eigenschaften enthalten sind.

Allerdings verschärft sich der Haftungsmaßstab für den Fall, dass sich aus dem Kaufvertrag die Übernahme einer Garantie ergibt. Der Verkäufer haftet in diesem Fall nicht nur für Vorsatz und Fahrlässigkeit, sondern auch, wenn er einen Mangel überhaupt nicht zu verantworten hat, also verschuldensunabhängig.

Neu: Fristen zur Geltendmachung des Mangels

Die Fristen zur Geltendmachung eines Sach- oder Rechtsmangels sind erheblich ausgeweitet worden. Statt bisher nur 6 Monate Gewährleistungsfrist ist nunmehr eine Frist von 2 Jahren zur Geltendmachung eines Mangels vorgesehen. Diese kann bei gebrauchten Kaufgegenständen auch im Wege der allgemeinen Geschäftsbedingungen auf 1 Jahr reduziert werden. Die Frist beginnt mit Gefahrenübergang, also in der Regel mit Übergabe der Kaufsache an den Käufer.

Neu: Beweislastumkehr während der ersten 6 Monate

Handelt es sich um einen so genannten Verbrauchsgüterkauf, wird also die Kaufsache für den privaten Gebrauch angeschafft, wird während der ersten 6 Monate vermutet, dass der Mangel bereits bei Übergabe der Kaufsache bestand. Diese Vermutung kann vom Verkäufer widerlegt werden. Hierzu muss aber der Verkäufer den Beweis führen, dass die Kaufsache bei Übergabe mangelfrei war.

Zum Beispielsfall: Frau Normalverbraucher hat sofort bemerkt, dass der Prozessor nicht die im Prospekt beschriebenen Eigenschaften aufwies. Die Gewährleistungsfristen sind noch nicht abgelaufen und er befindet sich noch im Zeitrahmen der Beweislastumkehr. Damit sind die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Käuferrechte erfüllt.

Ansprüche und Rechte des Käufers bei Mängeln
Das neue Kaufrecht sieht erstmals vor, dass der Käufer bei einem Mangel Nacherfüllung verlangen kann.

Erst nach dem Scheitern der Nacherfüllung kann der Käufer ggf. vom Vertrag zurücktreten, den Kaufpreis mindern oder Schadensersatz verlangen.

Neu: Die Nacherfüllung

Nach dem neuen § 439 BGB kann der Käufer bei einem Sachmangel entweder die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache vom Verkäufer verlangen.

Ist z.B. eine gebrauchte Kaufsache beschädigt, muss der Verkäufer die Reparatur bezahlen. Ohnehin trägt der Verkäufer sämtliche im Zusammenhang mit der Nachlieferung entstehenden Kosten. Hierzu gehören neben den Reparaturkosten (Arbeit und Material) auch Transport- und Wegekosten.

Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung (Reparatur oder Nachlieferung) verweigern, wenn diese nur mit unverhältnismäßigen hohen Kosten möglich ist. Berücksichtigt werden hierbei der Wert der Sache im mangelfreien Zustand, die Bedeutung des Mangels und ob die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer möglich ist.

Liefert der Verkäufer eine neue mangelfreie Sache, hat er Anspruch auf Rückgabe der ursprünglich gelieferten mangelhaften Kaufsache.

Zum Beispielsfall: In unserem Beispielsfall ist der Verkäufer verpflichtet, Frau Normalverbraucher das Laptop "MEGA" zur Verfügung zu stellen, welches einen 2.0 GHz Prozessor beinhaltet und dies, ohne dass Frau Normalverbraucher einen erhöhten Kaufpreis entrichten muss.

Geändert: Rücktritts- und Minderungsrecht, Schadensersatz

Wenn die vorrangig zu fordernde Nacherfüllung gescheitert ist, kann der Käufer vom Vertrag zurücktreten, den Kaufpreis mindern und/oder Schadensersatz fordern.

Bisher musste der Verkäufer damit einverstanden sein, dass der Käufer vom Vertrag zurücktrat. Nach der neuen Regelung sind Rücktritt und Minderung zu einem so genannten Gestaltungsrecht geworden. Das heißt, dass der Käufer allein durch seine Erklärung Rücktritt oder Minderung auslösen kann.

Voraussetzung sowohl für den Rücktritt als auch für die Minderung ist die gescheiterte Nacherfüllung.

Die Nacherfüllung ist gescheitert, wenn

* der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung endgültig ablehnt,
* die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen ist,
* die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung unzumutbar ist oder
* eine vom Käufer gesetzte angemessene Frist zur Nacherfüllung erfolglos abgelaufen ist.

Als fehlgeschlagen gilt die Nacherfüllung, wenn der zweite Versuch erfolglos war, soweit sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt.

Zur Minderungshöhe
Die Minderung des Kaufpreises ist jetzt auch dann möglich, wenn der Mangel nur geringfügig ist. Nach der alten Rechtslage musste hierzu ein erheblicher Mangel vorliegen.

Die Höhe der Minderung ist nunmehr festgelegt. Hiernach wird der Kaufpreis zukünftig um den Preis herabgesetzt, um den der Mangel den Wert der Kaufsache - gemessen am Kaufpreis - mindert.

Zum Beispielsfall: In unserem Beispielsfall hat Frau Normalverbraucher den Verkäufer schriftlich aufgefordert, ihm das in der Werbung angepriesene Laptop mit einem 2.0 GHz-Prozessor zur Verfügung zu stellen. Hierfür hat er eine Frist von 14 Tagen gesetzt, die erfolglos verstrichen ist. Ein Rücktritt vom Vertrag ist für Frau Normalverbraucher nicht sinnvoll, da er lediglich seinen Kaufpreis zurückerhalten würde. Auch die Minderung kommt für Frau Normalverbraucher nicht in Frage, da es ihm in der Hauptsache darum ging, sich ein Laptop mit einem 2.0 GHz-Prozessor anzuschaffen.

Zum Schadensersatz
In dieser Konstellation ist daher die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches interessant. Frau Normalverbraucher könnte ein Laptop mit 2.0 GHz-Prozessor zu einem höheren Preis erwerben und die Differenzsumme als Schadensersatz von dem ersten Verkäufer fordern. Auch der Ersatz für vergebliche Aufwendungen ist vom Verkäufer zu tragen.

Schadensersatz kann auch zusätzlich zu Rücktritt und Minderung verlangt werden und wird nunmehr nach den neuen Regelungen der so genannten Leistungsstörung gewährt. Hiernach ist Schadensersatz bei so genannten Pflichtverletzungen zu zahlen.

Aber VORSICHT: Bei unerheblichen Pflichtverletzungen ist es jedoch ausgeschlossen, statt der ganzen Leistung Schadensersatz zu verlangen.

Mitgeteilt von: Rechtsanwalt Andreas Neuber, Hauptstraße 19 , 47809 Krefeld, neuber@pnw.de

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